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Was bedeutet das „Planet49“-Urteil des EuGH für deine Cookies? Nicht jedes Cookie braucht ‘nen „Daumen hoch“

Am 01.10.2019 ist eine kleine Keksbombe geplatzt. Am morgen hat der EuGH sein Urteil in der Rechtssache „Planet49“ verkündet.

Und im Ergebnis hat das für ein bisschen mehr Klarheit im Bereich der Verwendung von Cookies gesorgt. Natürlich haben jetzt viele über das Urteil geschrieben. Beispielhaft nenne ich hier mal die Beiträge von Nina Diercks, Thomas Schwenke und Stefan Hanloser.

Vorwort

Ich will mich hier gar nicht so sehr mit den Details des Urteils beschäftigen. Ehrlich gesagt lohnt sich das auch gar nicht wirklich. Wirklich überraschend war die Entscheidung nämlich nicht. Mir kam es eher so vor, dass die „Cookie-Setzenden“ sowie ihre Beratenden wie z.B. wir Anwältinnen und Anwälte die Hoffnung hatte, dass die frühere „Cookie-Praxis“ doch noch vom EuGH gerettet wird. Eine Hoffnung, die mir von vornherein so vorkam, wie die Hoffnung, dass ein Klimawandel nicht stattfindet.

Die Vorlagefragen

Aber zu Sache:

Der EuGH hatte vom BGH einige Fragen gestellt bekommen. Und die hat er beantwortet.

Es handelte sich um diese Fragen, die ich von „Jura“ zu „Deutsch“ übersetzt habe, es sind also nicht die Originalfragen:

  1. Handelt es sich um eine wirksame Einwilligung im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der „ePrivacy-Richtlinie“ (ePrivacy-RL), wenn die Speicherung von Informationen (durch z.B. Cookies) oder der Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät des Nutzers gespeichert sind, durch ein voreingestelltes Ankreuzkästchen erlaubt wird, das der Nutzer zur Verweigerung seiner Einwilligung abwählen muss?
  2. Macht es dabei einen Unterschied, ob es sich bei den gespeicherten oder abgerufenen Informationen um personenbezogene Daten handelt?
  3. Liegt eine wirksame Einwilligung im Sinn der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vor, wenn – wie in Frage 1 beschrieben – mit einer vorangehakten Checkbox gearbeitet wird?
  4. Welche Informationen hat ein Anbieter einer Internetseite nach Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-RL dem Nutzer zu erteilen? Zählen hierzu auch die Funktionsdauer der Cookies und die Frage, ob Dritte auf die Cookies Zugriff erhalten?

Um es vorwegzunehmen ist hier aber auch wichtig zu erkennen, dass der BGH nicht danach gefragt hat, wann ein Cookie „unbedingt erforderlich“ i.S.d. Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-RL ist. Gefragt wurde auch nicht danach, inwieweit ich für das Setzen des Cookies verantwortlich bin, wenn ein Dritter („3rd-Party“ das Cookie setzt. Und schließlich hat der BGH auch nicht danach gefragt, ob das Setzen von Cookies bei nicht vorhandener Umsetzung der ePrivacy-RL in Deutschland ggf. auf anderen Rechtsgrundlagen der DSGVO als Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO basieren kann.

Die Antworten des EuGH

Keine Einwilligung bei vorangekreuzter „Checkbox“

Die Antworten des EuGH fielen deutlich aus. Und glücklicherweise müssen uns noch nicht einmal alle Ausführungen zu interessieren. Denn viele Ausführungen des Urteils beziehen sich auf die alte EG-Datenschutzrichtlinie, die seit Anwendung der DSGVO nicht mehr in Kraft ist. Die Antwort auf die Frage ein bzgl. der EG-Datenschutzrichtlinie möchte ich daher hier gar nicht weiter thematisieren.

Da die Vorgaben der DSGVO zur Einwilligung insbesondere ein aktives Verhalten voraussetzen und eine „Nichthandlung“ keine Einwilligung darstellen kann, war klar, dass der EuGH in einer vorangekreuzten Checkbox keine wirksame Einwilligung erkennen kann.

Hier war nichts anderes zu erwarten, zumal Erwägungsgrund 32 der DSGVO dieses Szenario von „bereits angekreuzte“ Kästchen konkret adressiert.

Damit war die o.g. erste Frage denn auch schon klar beantwortet.

Gilt das auch, wenn die Informationen in den Cookies nicht personenbezogen sind?

Bei dieser Frage war das Ergebnis mal nicht ganz klar und insoweit spannend. Jetzt könnte man sagen, dass das doch eigentlich egal wäre, da Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-RL ja nicht von personenbezogenen Daten spricht, sondern es hier nur darum geht, das in das Recht auf Privatheit i.S.d. Art. 7 GRCh eingegriffen wird.

Das könnte man allerdings mit Blick auf die unklaren Schutzgüter und die Wechselwirkung mit der DSGVO und dem Recht auf den Schutz personenbezogener Daten i.S.d. Art. 8 GRCh ggf. auch anders sehen.

Der EuGH spricht sich hier aber mit Blick auf die Erwägungsgründer der ePrivacy-RL klar dafür aus, dass das Einwilligungserfordernis auch dann gelte, wenn die Informationen im Endgeräte des Nutzers (wie z.B. in Cookies) nicht personenbezogen sind.

Wenn der EuGH das hier anders gesehen hätte, dann hätten viele größere Internetseiten mehr Spielraum gehabt. Denn die Cookies werden in der Regel nicht von ihnen selbst, sondern von den Werbepartnern gesetzt, die wiederum für die Datenverarbeitung für Werbezwecke selbst Verantwortliche sind. Nur für die Phase der Erhebung könnte man ggf. eine gemeinsame Verantwortlichkeit annehmen. Nur dann wäre die Frage für den Internetseitenanbieter gewesen, ob er denn nun die Einwilligung einholen muss oder ob diese Phase der Datenverarbeitung insoweit vielleicht unbedingt erforderlich wäre. Egal…das wären jedenfalls tiefergehende juristische Probleme gewesen, die wir jetzt einfach nicht haben, weil der EuGH hier klare Worte gefunden hat.

Welche Cookie-Infos sind dem Nutzer zu erteilen?

Auch hier muss sich der EuGH zunächst mit der alten EG-Datenschutzrichtlinie befassen, die uns nicht mehr interessiert. Hier führt er aber zunächst grundlegend aus, dass folgende Informationen zum „Verantwortlichen“ für eine Verarbeitung nach Treu und Glauben (vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. a) DSGVO) erforderlich sind:

  • Identität des Verantwortlichen
  • Zweckbestimmungen der Verarbeitung, für die die Daten bestimmt sind,
  • weitere Informationen beispielsweise zu Empfängern oder Kategorien der Empfänger der Daten, sofern sie unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände, unter denen die Daten erhoben werden, notwendig sind, um gegenüber der betroffenen Person eine Verarbeitung nach Treu und Glauben zu gewährleisten.

Dann biegt der EuGH zur DSGVO ab und bestätigt nur kurz, dass sich das nach Art. 13 DSGVO auch ergebe.

Im Ergebnis sind daher Angaben zur Funktionsdauer der Cookies und dazu, ob Dritte Zugriff auf die Cookies erhalten können, erforderliche Informationen, die dem Betroffenen im Kontext mit der Verwendung von Cookies zu erteilen sind.

Soweit so gut oder schlecht. Nur…

Was passiert als Nächstes?

Nun der Ball liegt jetzt wieder im Spielfeld des BGH. Der BGH muss nun entscheiden, wie das Ganze im deutschen Recht zu bewerten ist.

Problem ist, dass der BGH wohl vorhatte, den noch geltenden § 15 Abs. 3 TMG richtlinienkonform, d.h. europarechtskonform auszulegen. Nur…wenn wir uns den Wortlaut ansehen, wird das kaum gehen. Er ist schlichtweg nicht europarechtskonform.

Da die ePrivacy-RL nach der Rechtsprechung des EuGH zur unmittelbaren Wirkung von nicht umgesetzten EU-Richtlinien nicht unmittelbar für nicht-staatliche Internetseitenanbieter gilt, liegt nicht zwingend ein Rechtsverstoß vor. Der BGH wird hier wohl am ehesten § 15 TMG für nicht anwendbar erklären und dann zu Art. 6 DSGVO herüberspringen.

Nach den Ausführungen des EuGH würde ich meinen, dass der BGH dann nur Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO – also eine Einwilligung – als einschlägige Rechtsgrundlage für nicht unbedingt erforderliche Cookies in Deutschland halten wird.

Letztlich müssen wir aber noch abwarten.

Wie geht es weiter? Wird es neue Gesetze geben?

Das Bundeswirtschaftsministerium hat schon vor einigen Wochen angekündigt, dass sie eine Änderung des TMG vornehmen wollen, wenn der EuGH in der Rechtssache „Planet49“ entschieden hat.

Ich gehe davon aus, dass dann in Deutschland eine Umsetzung von „Cookie Law“ in Deutschland durch das TMG erfolgen wird. Das wird aber noch ein wenig dauern.

Wegen der Entscheidung des EuGH kann es gut sein, dass nun wieder Dynamik des stockenden Gesetzgebungsprozesses um die ePrivacy-Verordnung kommen wird. Deswegen, weil das eine Chance wäre, die nun in der EU schon länger bestehenden „Cookie-Klickorgien“ mal zu beenden und durch vernünftige (technische) Verfahren zu ersetzen. Aber das wird ebenfalls noch dauern.

Was solltest du jetzt tun, wenn du eine Internetseite hast?

Hier die Handlungsempfehlungen in Kürze:

  1. Don’t panic! Es bringt jetzt nicht, hastig zu reagieren. Lieber das Gehirn noch einmal mit Sauerstoff belüften, durchatmen und dann überlegen, was sinnvoll ist. Hilfreich können die nachfolgenden Schritte sein.
  2. Analysiere, ob und welche Cookies (und für welchen Zweck) beim Aufruf deiner Website im Browser gesetzt werden.
  3. Unterscheide die Cookies zwischen Session-Cookies und sog. Persistent-Cookies also Cookies, die eine gewisse Laufzeit haben.
  4. Bei den Session-Cookies schaust du dir an, ob du die wirklich benötigst. Viele Spracheinstellungs-Session-Cookies sind z.B. sehr „90er“ – also altmodisch – und werden heute meist nicht mehr benötigt.
    Es gilt immer, wenn du das nicht wirklich brauchst: Schmeiß’ weg!

    Session-Cookies, die du z.B. für die Warenkorb-Steuerung brauchst, können als unbedingt erforderlich gelten. Für die brauchst du keine Einwilligung.

    Auch sog. „Remember-Me“-Cookies, die ermöglichen, dass der Nutzer sich nicht immer wieder neu einloggen muss, können i.d.R. als „vom Nutzer verlangt“ gelten und daher ohne Einwilligung verwendet werden.

  5. Bei den Persistent-Cookies wird es dann schwieriger. Hier solltest du genau schauen, was du davon brauchst und ob es unbedingt erforderlich ist. Hier ist die Rechtslage extrem unklar.

    Grundsätzlich gilt: Wenn die Seite für den Nutzer ohne das jeweilige Cookie fehlerfrei angezeigt wird, dann ist das ein Indiz dafür, dass das jeweilige Cookie nicht unbedingt erforderlich ist und du daher eine Einwilligung benötigst.

    Der Gegensatz gilt aber auch: Wenn ohne das „Persistent-Cookie“ die Seite nicht fehlerfrei aufgerufen werden kann, Dinge z.B. nicht funktionieren oder Fehler auftreten, dann ist das ein Indiz dafür, dass das jeweilige Cookie unbedingt erforderlich ist und damit keine Einwilligung vom Nutzer eingeholt werden muss.

  6. Wenn du eine Einwilligung als Rechtsgrundlage für Cookies benötigst, musst du sicherstellen, dass das jeweilige Cookie gesetzt wird, nachdem der Nutzer eine wirksame Einwilligung erteilt hat.
  7. Vor einer Einwilligung müssen Nutzer über Zweck des Cookies und Empfänger von Daten informiert werden.

    Außerdem muss die Dauer der Speicherung dargelegt sein. Und es muss Angaben dazu geben, wer „Verantwortlicher“ für die Verarbeitung der Cookie-Daten ist.
    ACHTUNG: Das bist du häufig nicht alleine, sondern z.B. das Werbeunternehmen ist für die Phase der Erhebung der Daten des Nutzers und für das Setzen des Cookies gemeinsam mit dir verantwortlich. Hier ist auch noch vieles unklar.

    Empfehlen würde ich aber, mit den jeweiligen Anbietern jetzt dringend über ein sog. „Joint-Control-Agreement“ nach Art. 26 DSGVO zu sprechen. Ich gehe davon aus, dass das noch wichtig werden wird.

  8. Es ist derzeit unklar, ob z.B. Cookies, die dafür eingesetzt werden, um die Seite per Werbung zu finanzieren, als „unbedingt erforderlich“ gelten können. Dafür spricht, dass es Seiten gibt, für die Werbeeinnahmen „conditio sine qua non“. D.h., dass es die Websites nicht mehr geben würde, wenn keine Cookies für Werbezwecke gesetzt werde würden. Dagegen sprechen aber natürlich auch Argumente.
    Das Ganze ist also extrem „wackelig“. Ich würde hier aktuell raten, mit einer Einwilligung zu arbeiten. Problem ist auch hier wieder die Frage der gemeinsamen Verantwortlichkeit.