Warum ist denn nun die Lohnbuchhaltung durch Steuerberater KEINE Auftragsverarbeitung?

Update (28.12.2019): Der Beitrag ist mittlerweile "überholt". Denn der deutsche Gesetzgeber hat diese Rechtsfrage nun ausdrücklich geklärt. Mehr Infos dazu in diesem Beitrag: Deutscher Gesetzgeber stellt klar: Steuerberater sind keine Auftragsverarbeiter

Ich habe das hier im Podcast schon einmal erläutert. Da nicht jeder die Zeit hat, sich einen Podcast anzuhören, habe ich die Gründe hier noch einmal in Textform ausgeführt. Zumal einige Aufsichtsbehörde das mittlerweile anders sehen.

Steuerberater als Auftragsverarbeiter bei der Lohnbuchhaltung?

Um diese Frage zu beantworten, ist juristisches Handwerkszeug gefragt. Denn die Beantwortung der Frage hat auch einen historischen Hintergrund.

Unstreitig ist (bzw. war bis vor kurzem), dass die Lohnbuchhaltung eine „Hilfe in Steuersachen“ i.S.d. § 1 des Steuerberatungsgesetz (StBerG). Und diese Hilfe in Steuersachen darf – wenn sie geschäftsmäßig erfolgt – nur von Personen erbracht werden, die hierzu befugt sind. Das wiederum ergibt sich aus § 2 StBerG.

Wer nun zu geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, ergibt sich wiederum aus § 3 StBerG. Du merkst, das Gesetz hat einen nachvollziehbaren, prozeduralen Aufbau. Und nach § 3 StBerG dürfen diese Personen in Steuersachen Hilfe leisten:

  1. Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer,
  2. Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich die in Nummer 1 genannten Personen sind,
  3. Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften.

Merke: Hier steht nichts von Lohnbüros, Buchhalterinnen und Buchhaltern oder anderen Berufsgruppen.

Halten wir also – der Struktur des StBerG – entsprechend diesen Grundsatz fest:

  • Lohnbuchhaltung, inkl. des Führens von Lohnkonten ist eine Hilfe in Steuersachen, die grundsätzlich nur von den in § 3 StBerG genannten Berufsgruppen erbracht werden darf.

Wie nicht nur Juristinnen wissen, gibt es von jedem Grundsatz Ausnahmen, denn sonst wäre es kein Grundsatz.

Und so ist es auch beim Führen von Lohnkonten. Bis Ende der 80er Jahre war die Lohnbuchhaltung zwar den Steuerberatern und den weiteren in § 3 StBerG genannten Berufen vorbehalten. Dann kamen jedoch zwei Entscheidungen des BVerfG zur Berufsfreiheit „dazwischen“. Aufgrund dieser Entscheidungen hat der Gesetzgeber mit dem „Vierten Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes“ (BT-Drs. 11/3915) Ausnahmen von diesem Grundsatz eingeführt.

Die Ausnahme bzgl. der Lohnbuchhaltung sind seitdem in § 6 Nr. 4 StBerG geregelt. Aus der Begründung des Gesetzgebers ergibt sich jedoch nicht, dass die Lohnbuchhaltung keine steuerberatende Tätigkeit sei. Nein, es wird nur unter Bezugnahme auf die damals neueren Entscheidung des BVerfG geregelt, dass auch Nicht-Steuerberater Lohnbuchhaltungstätigkeiten (übrigens nicht alle) unter bestimmten Voraussetzungen durchführen dürfen, da diese nicht so komplex seien, dass sie die Ausbildung zum Steuerberater erfordern.

Entscheidend ist jedoch, dass der Gesetzgeber hier eine Ausnahme von dem Grundsatz geregelt hat, dass nur Steuerberater etc. die Lohnbuchhaltung durchführen dürfen. Für Steuerberater, die eine Lohnbuchhaltung durchführen, gilt aber auch für diese Tätigkeit unstreitig das StBerG als berufsrechtliche Regelung. Und damit ist auch die Lohnbuchhaltung – wenn sie durch Steuerberater – erbracht wird, keine Auftragsverarbeitung. Denn der Steuerberater übt seine Tätigkeit nach § 32 Abs. 2 StBerG als freien Beruf und damit weisungsfrei aus. Für eine Auftragsverarbeitung ist hier kein Raum, zumal der Auftraggeber hier nicht über Zweck und Mittel der Datenverarbeitung entscheidet.

Einige Datenschutz-Aufsichtsbehörden sehen das anscheinend anders. So z.B. in Nordrhein-Westfalen und in Baden-Württemberg. Leider mit entweder spärlicher (NRW) oder nicht überzeugender (BW) Begründung.

Die Aufsichtsbehörde in Nordrhein-Westfalen hat die Systematik des StBerG nicht berücksichtigt, sondern spricht hier pauschal von „weisungsgebundenen“ und „weisungsunabhängigen“ Tätigkeiten von Steuerberaten, bei denen erstere dann als Auftragsverarbeitung klassifiziert werden könnten. Diese Ansicht ist nur schlichtweg falsch. Sie übersieht die o.g. Regelungssystematik nach Grundsatz und Ausnahmen der Tätigkeiten von Personengruppen bei der Erbringung von „Hilfe in Steuersachen“.

Die Aufsichtsbehörde in Baden-Württemberg hat sich da etwas mehr Mühe gemacht und sich im jüngsten Tätigkeitsbericht und neuerdings auch hier zu dem Thema geäußert. Und sich dabei erfreulicherweise auch etwas eingehender mit der Thematik beschäftigt. So werden z.B. die Entscheidungen des BVerfG angegeben. Leider wurde dabei ebenfalls die Systematik der Umsetzung im StBerG nicht berücksichtigt. – ein handwerklicher Fehler in der Auslegung. So kommt die Behörde dann auch zu dem falschen Schluss:

Für die Frage, ob der Steuerberater solche Arbeiten als Verantwortlicher (…) oder als Auftragsverarbeiter (…) erledigt, kommt diesem Umstand, dass es sich bei der laufenden Lohnbuchhaltung um rein mechanische Verarbeitungsvorgänge handelt, die keine besondere Qualifikation der steuerberatenden Berufe erfordert, entscheidende Bedeutung zu. Denn dies hat zur Folge, dass der für die Mitarbeiterdaten Verantwortliche die Befugnis behält, Zwecke und Mittel der Verarbeitung zu bestimmen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Steuerberater ansonsten, soweit er dem Steuerberaterprivileg unterfallende Arbeiten erledigt, zweifelsfrei als Verantwortlicher tätig wird. Denn es ist anerkannt, dass je nach konkreter Tätigkeit und Zusammenhang dieselbe Organisation hinsichtlich bestimmter Verarbeitungen als Verantwortlicher und hinsichtlich anderer Verarbeitungen als Auftragsverarbeiter handeln kann (…)

Auch hier wurde die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die Berufsregeln nach einem Grundsatz-Ausnahme-Prinzip zu regeln, nicht beachtet. Diese berufsrechtlichen Regeln beinhalten aber aus den o.g. Gründen, dass Steuerberater insgesamt bei „Hilfe in Steuersachen“ weisungsfrei agieren.

Es ist eben nicht juristisch korrekt, die Lohnbuchhaltung nicht als „Hilfe in Steuersachen“ anzusehen. Die Aufsichtsbehörde in Baden-Württemberg schreibt in ihrem Beitrag auf der Website wörtlich:

Soweit es um die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Steuerberater für Zwecke der laufenden Lohnabrechnung geht, kann als Rechtsgrundlage jedenfalls nicht auf § 11 des Steuerberatungsgesetzes abgestellt werden, da es sich insoweit nicht um Daten handelt, die der „Erfüllung der Aufgaben nach diesem Gesetz“ (Hilfe in Steuersachen) dienen.

Und ich bin erstaunt, wie eine Aufsichtsbehörde hier so einen m.E. groben handwerklichen Fehler begeht. Denn schon aus dem Wortlaut des § 6 Nr. 4 StBerG ergibt sich eben ausdrücklich, dass es sich um Hilfeleistung in Steuersachen handelt. Merke: Schon der Titel der Norm heißt „§ 6 Ausnahmen vom Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen“. Im Umkehrschluss und das lernen wir Juristen ja schon in frühen Semestern heißt das aber auch, dass es eben auch die laufende Lohnabrechnung i.S.d. § 6 Nr. 4 StBerG eine Hilfeleistung in Steuersachen ist.

Im Ergebnis kann also nur festgehalten werden, dass die Lohnabrechnung durch Steuerberater eben keine Auftragsverarbeitung darstellt, da sie in Ausübung eines freien Berufes und weisungsfrei i.S.d. § 32 Abs. 2 StBerG handelt.

Natürlich hätte man aufgrund der Entscheidungen des BVerfG zur Berufsfreiheit in diesem Bereich das so sehen können wie die Aufsichtsbehörde in Baden-Württemberg. Der Gesetzgeber jedoch hat dies ausdrücklich anders geregelt. Und daran hat sich nun glücklicherweise auch eine Aufsichtsbehörde zu orientieren.

Und ich würde es sehr begrüßen, wenn sich Aufsichtsbehörden, die die hier eine Auftragsverarbeitung annehmen, sich mit dieser Argumentation einmal auseinandersetzen und sich dazu äußern. Ich bin sehr gespannt…